Das FaME-Programm und die LiFE-Studie
Wir haben Ihnen in zurückliegenden Newslettern bereits das Otago-Trainingsprogramm vorgestellt, welches ursprünglich in Neuseeland entwickelt wurde und seit vergangenem Jahr in Reutlingen zum Einsatz kommt. Das Training findet zuhause statt und richtet sich an gebrechliche ältere Menschen. In diesem Newsletter stellen wir Ihnen zwei weitere erfolgreiche Programme aus Großbritannien (FaME) und Australien (LiFE) vor.
Sie zeigen, dass unterschiedliche Wege zum selben Ziel führen können. Allerdings sind die Grundprinzipien aller dieser Programme dieselben: es handelt sich um ein Training von Gleichgewicht und Muskelkraft, bei dem der Schwierigkeitsgrad wenn möglich stetig angepasst und gesteigert wird.
Das FaME-Programm (Falls Management Exercise) - Ein individualisiertes Gruppen- und Heimtrainingsprogramm zur Reduktion der Sturzhäufigkeit
Das FaME-Programm richtet sich an selbstständig lebende Ältere mit Sturzrisiko. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Gruppenprogramms, welches einmal pro Woche eine Stunde durchgeführt wird, sind Gangvariationen und dynamische Balanceübungen zur Verbesserung des Gleichgewichts und der Ausdauer und Kraftübungen mit Hanteln oder Gummibändern zur Verbesserung der Beinkraft und Rumpfstabilität. Sobald eine Grundstabilität der Teilnehmer erreicht worden ist, wird das Aufstehen vom Boden und Strategien zur Fortbewegung auf dem Boden beübt.
Das Gruppenprogramm wird durch ein 30-minütiges Heimtrainingsprogramm, welches zweimal pro Woche durchgeführt werden soll, ergänzt. Inhaltlicher Schwerpunkt ist hierbei die Verbesserung der Beinkraft. Das Gruppenprogramm hingegen fokussiert eher auf die Verbesserung des dynamischen Gleichgewichts durch stetige Anpassung des Schwierigkeitsgrades.
Die Inhalte des FaME-Programms basieren auf den Übungen des Otago-Programms, welches für selbstständig lebende ältere Menschen entwickelt wurde, die nicht in der Lage sind, ein Gruppenangebot wahrzunehmen. Die Ergebnisse einer Studie, die die Effektivität des FaME-Programms untersuchte, wurden 2005 publiziert. Dabei konnte eine Reduktion der Stürze um mehr als 30 % gezeigt werden1. Mittlerweile wird das Programm in ganz Großbritannien praktiziert.
Die LiFE-Studie (Lifestyle integrated Functional Exercise)
Bei der LiFE-Studie handelt es sich um einen neuen Ansatz. Anders als in den meisten bisher verfügbaren Trainingsprogrammen sieht das Protokoll kein starr strukturiertes Programm vor. Vielmehr werden die Übungen in ganz alltägliche Aktivitäten integriert und immer dann angewendet, wenn sich im Tagesablauf gerade die Gelegenheit dazu bietet. Ziel ist es, genau solche Tätigkeiten im Alltag als Gewohnheiten zu etablieren, die für die TeilnehmerInnen zu einem nachhaltigen Trainingseffekt führen. Dabei werden die Übungen an den Alltag der TeilnehmerInnen angepasst, im weiteren Verlauf ausgeweitet und in ihrer Schwierigkeit und Intensität erhöht. Beispiele für Strategien zur Verbesserung des Gleichgewichts oder der Kraft sind dabei etwa eine Reduktion der Standunterstützungsfläche, das Verlagern des Körpergewichts von einem Bein aufs andere, Kniebeugen oder das Stehen auf Zehenspitzen.
Übersetzt in den Alltag könnte die Empfehlung lauten: beim Bügeln nur auf einem Bein zu stehen, beim Telefonieren das Gleichgewicht so weit wie möglich nach vorn oder hinten zu verlagern oder bei tiefen Regalen im Supermarkt in die Knie zu gehen anstatt sich zu bücken. Da die Übungen meist zusammen mit anderen Tätigkeiten durchgeführt werden, handelt es sich dabei um sogenannte „dual task“-Situationen, von denen wir heute wissen, dass sie gerade in Hinsicht auf das Sturzgeschehen eine hohe Bedeutung haben. Deshalb findet sich ein „dual task“-Training – häufig eine Kombination von motorischen und kognitiven Anforderungen – zunehmend in Sturzpräventionsprogrammen wieder.
Das Programm der LiFE-Studie führte ebenfalls zu einer Reduktion der Stürze um mehr als 30 %. Die Ergebnisse wurden im vergangenen Jahr erstmals veröffentlicht 2. Die Teilnahmetreue war laut Autoren dabei deutlich höher als bei einem starr strukturierten Trainingsprogramm. Ob sich die Ergebnisse wiederholen lassen, wird die Zukunft erst zeigen müssen. Allerdings kann schon jetzt festgehalten werden, dass das Repertoire der Sturzpräventionsprogramme mit dieser Studie um ein interessantes Prinzip ergänzt wurde, welches sich insbesondere für solche Personen eignen dürfte, die Gruppenangeboten skeptisch gegenüber stehen und denen starr strukturierte Programme zu langweilig sind.
1 Skelton D, Dinan S, Campbell M, Rutherford O. Tailored group exercise (Falls Management Exercise -- FaME) reduces falls in community-dwelling older frequent fallers (an RCT). Age Ageing. 2005 Nov;34(6):636-9.
2 Clemson L, Fiatarone Singh MA, Bundy A, Cumming RG, Manollaras K, O'Loughlin P, Black D. Integration of balance and strength training into daily life activity to reduce rate of falls in older people (the LiFE study): randomised parallel trial. BMJ. 2012 Aug 7;345:e4547